Aus „InternAA“, der Mitarbeiter-Zeitschrift des Auswärtigen Amtes, Ausgabe 07/2013

Dieter Nuhr

Kultur und Humor

 

Als Kulturschaffender freue ich mich, dass ich Deutschland ab und zu im Ausland vertreten darf. Ich finde, das ist eine hehre Aufgabe! Danke! Es hat mir Freude gemacht, und ich will es gerne wieder tun. Nicht dass ich glauben würde, das Negativimage aus zwei Weltkriegen allein aus der Welt schaffen zu können. Aber ich will meinen Beitrag leisten zur weltweiten guten Laune.

Natürlich denken Sie jetzt: Was hat Kultur mit guter Laune zu tun? Stimmt! Wenn es etwas gibt, was deutsche Kultur fundamental von der anderer Völker unterscheidet, dann ist es der Hang zur Depressivität unter jenen, die sich für Kunstschaffende halten oder darüber berichten. Konsens unter deutschen Künstlern und Kunstbewertern ist: Der Künstler muss leiden, sonst fehlt ihm die Tiefe. Merke: Heiterkeit ist ein Zeichen für mangelnden Geist. In anderen Kulturkreisen ist Lachen das Pendant zum Weinen, bei uns gelten Lebensunfähigkeit, Depressionen und Jammerlappentum als künstlerische Tugend.

Da fragen sich Amerikaner, Franzosen oder Mikronesier nicht zu Unrecht, ob uns das schlechte mitteleuropäische Wetter ins Gehirn geregnet hat, aber so ist es nun einmal im wohlstandsverwöhnten Deutschland: Erst ein abgeschnittenes Ohr, ein paar Wochen freiwilliger Rückzug in verdunkelte Wohnräume oder ein Suizidversuch sorgen unter germanischen Kulturliebhabern für echte Street Credibility. In der deutschen Künstlerseele muss Hängen sein im Schacht des Daseins.

Da bin ich als Humorist außen vor. Komikern wird deshalb gerne der Kulturstatus verweigert. Der Satiriker kann über den Tod reden oder das Leben, über Politik, Psyche, Sinnlosigkeit, Verdammnis oder die Vergeblichkeit des Daseins, aber wenn das Lachen nicht im Halse stecken bleibt und am Ende kein Leid ist, sondern befreiende Heiterkeit, gilt der darstellende Künstler ausschließlich als Unterhalter. Und das ist das schlimmste Schimpfwort, dass der deutsche Kunstbetrieb kennt. Am Ende sorgt der Künstler beim Publikum noch für positive Lebensgefühle. Das darf nicht sein!

Sollte sich der Deutsche immer noch darüber wundern, dass er im Ausland als humorlos angesehen wird, sollte er vielleicht ein mal darüber nachdenken, ob dies mit seinem Kulturverständnis zu tun haben könnte…

In Amerika wird niemand zwischen E- und U-Musik wirklich unterscheiden. Auch der ekstatisch heitere Popmusikant gilt als richtiger Mensch. Der Künstler darf auch gerne einmal bunt daherkommen und lebensbejahend. Bei uns wird man mit heiterer, zustimmender Attitüde weder einen Grimmepreis noch eine Kleinkunstauszeichung gewinnen. Lebensfreude und Kultur sind in Deutschland offenbar unüberbrückbare Gegensätze.

Ich gebe zu: Das Leben endet mit dem Tod. Das ist unerfreulich. Aber ich glaube nicht, dass man sich deshalb als kultivierter Mensch ständig in die eigene Tasche heulen muss. Ich betrachte die Welt als Lebensraum und nicht als Sterbehospiz. Dies verbietet mir nicht, mich über Leben und Tod zu äußern und dies für einen Beitrag zur Kultur zu halten. Liebe, Melancholie, Freude und Glück dürfen als kulturelle Inhalte auf gleiches Recht pochen wie Hass, Trauer, Niedergeschlagenheit und Unglück. Humor kann ebenso Kunst sein wie Humorlosigkeit. Und Lachen ist eine ebenso starke Emotion wie Weinen. Heiterkeit zu erzeugen gilt unter Schauspielern nicht umsonst als schwieriges Unterfangen. Selbstmitleidig in der Ecke zu hängen ist einfacher.

Es ist vielleicht nicht das schlechteste, im Ausland ab und zu auch mal Menschen auftreten zu lassen, die einen ironischen Zugang zum menschlichen Dasein haben. Ja, auch der dunkle Tann, die Toteninsel und Holocaustreflexionen sind wichtige kulturelle Themen, aber nicht das einzige, worüber der Deutsche in der Heimat nachsinnt.

Ich freue mich, dass ich als Deutscher ab und zu im staatlichen Auftrag als Komikbeauftragter ins Ausland fahren darf, also dorthin, wo man glaubt, dass Deutschsein und Humor unüberbrückbare Gegensätze sind, verständlich, haben wir doch früher allzu oft mit dem Panzer, statt mit Pointen bei den Nachbarn angeschellt. Ich bringe lieber Witze mit. Das ist sympathischer.

Ich erzeuge gerne Heiterkeit. Es gibt schlechtere Lebensaufgaben. Raubmörder, Amputationschirurgen oder Henker bringen vergleichsweise weniger Freude ins Leben ihrer Mitmenschen. Da bin ich dankbar, dass mir mein Publikum mit fröhlichem Gesicht entgegentritt. In Pirmasens, Berlin oder Uelzen, aber gerne auch in Lissabon, Belgrad oder Montevideo. Ich freue mich drauf!